Auricher Regentenporträts: Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft – Auricher Schloss
Der Erstgeborene des Grafen Ulrich II. von Ostfriesland wuchs in den Nöten des Dreißigjährigen Krieges auf. Frühzeitig sorgten die Eltern dafür, ihn daraus zu entfernen und in die sicheren Niederlande zu schicken, die damals das kulturelle Zentrum Europas waren. Man verlobte ihn 1641 im Haag mit der Prinzessin Henriette Katharina von Oranien, der Tochter des Statthalters Friedrich Heinrich. Dies war auch gedacht als ein Schritt auf dem Weg zum Anschluß Ostfrieslands an die Vereinigten Niederlande, was dem Grafen Ulrich II. nicht geglückt ist.
Enno Ludwig hat dann die zehn entscheidenden Jugendjahre im Ausland verbracht, zuerst in den Niederlanden, dann in Saumur an der Loire in Frankreich, endlich in Genf. Reisen machte er bis nach Rom und Wien, wo er zum Reichshofrat ernannt wurde. Diese lange Ausbildung hat Ostfriesland viel Geld gekostet und nicht gefruchtet; denn Enno Ludwig erwies sich als unerwartet träge und engstirnig. Kein junger Cirksena hat derartige Möglichkeiten gehabt, sich zu bilden und seinen Horizont zu erweitern, und keiner hat sich dieser Erziehung so unwürdig erwiesen.
Feinde seiner Mutter, der Gräfin Juliane, sorgten dafür, daß der junge Graf nach seiner Rückkehr 1651 das Blutgericht über deren Geliebten Johann von Marenholz vollziehen ließ, das ihm wegen der österreichischen Herkunft von dessen Ehefrau viel Verdruß am Kaiserhof in Wien einbrachte. Wenn Enno Ludwig sich damit Sympathien im Lande erworben hatte, so vergingen diese schnell angesichts seiner Unfähigkeit, die Probleme Ostfrieslands, nämlich den Wiederaufbau nach dem Kriege und eine Regelung des Schuldenwesens, zu lösen. Seine Verlobung mit der Oranierin war 1649 aufgelöst worden, was ihm ziemlich gleichgültig war.
Wer ihm eingeredet hat, sich um die Würde eines Fürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu bemühen, ist unbekannt. Der große Gelehrte und Ostfriese an der Universität Helmstedt Hermann Conring wies ihm den Weg dahin. Er wußte, daß dem Kaiser daran lag, verdiente Heerführer des Dreißigjährigen Krieges mit der Reichsfürstenwürde zu belohnen. Das waren durchweg Katholiken; um der konfessionellen Parität willen sah es gut aus, wenn auch Evangelische beteiligt wurden. Außerdem war es Conring bekannt, daß der Kurfürst von Mainz auf dem Reichstag in Regensburg, auf dem diese Standeserhöhungen beschlossen werden sollten, sein Amt als Reichskanzler ausüben würde im Gegensatz zu der üblichen Residenz des Kaisers, wo der Reichsvizekanzler amtierte. Conring kannte den Mainzer Würdenträger und wußte, daß ihm die fälligen Kanzleigebühren – 10000 Gulden – willkommen sein würden.
So geschah es, daß Enno Ludwig 1654 zur Würde eines Reichsfürsten erhoben wurde, zunächst nur für seine Person. 1662 erhielt sein Bruder Georg Christian den Titel für die ganze Familie Cirksena. Weil die nunmehrigen Fürsten von Ostfriesland ihre finanzielle Mißwirtschaft, vor welcher Hermann Conring ausdrücklich gewarnt hatte, fortsetzten, blieb ihr Fürstenhut einem tönenden Erz mit klingenden Schellen gleich.
Walter Deeters
Porträts Enno Ludwigs als Verlobter Henriette Catharinas
Familienporträts:
F. van Beusekom, 1642 – Österreichische Nationalbibliothek Wien (Enno Ludwig und Henriette Catharina im Kreis der Mitglieder des Hauses Oranien-Nassau)
F. de Wit, nach 1650 – Rijksmuseum Amsterdam (Enno Ludwig als Erwachsener in einem Sammelporträt des Hauses Oranien-Nassau)