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Schreiber, Gretje: Das hochgräfliche Residenzhaus zu Norden
Zusammenfassung
Auf der Ostseite des Norder Marktplatzes befand sich für einige Jahrzehnte ein prächtiges Haus, hinter dessen Mauern sich das hochgräfliche Residenzhaus zu Norden befand, welches Graf Edzard Ferdinand, als drittgeborener Sohn des Grafen Ulrich II., in einem Vergleich 1661 zugesprochen bekommen hatte. Nach seiner Hochzeit mit der Gräfin Anna Dorothea 1665 erstand der Graf das nördliche Nachbargebäude und baute beide Häuser zu einem standesgemäßen Adelssitz aus. Weitere Umbauten folgten, als der jüngste Sohn Graf Friedrich Ulrich, der die Militärlaufbahn eingeschlagen hatte und zum Generalleutnant im Dienste der General-Staaten aufgestiegen war, eine Tochter des Fürsten Christian Eberhard heiratete.
Gräfin Anna Dorothea lebte in diesem Haus 35 Jahre als Witwe zusammen mit ihrem ältesten Sohn, der nur kurze Zeit als Offizier im französischen Dienst diente, dann wieder nach Norden zog und dort eine nicht standesgemäße Ehe einging. Als Gräfin Anna Dorothea im Jahre 1705 starb, wurde ein knapp gefasstes Inventar aufgestellt, welches viele Einzelheiten zu den Lebensverhältnissen der gräflichen Familie preisgibt.
Das Residenzhaus in Norden blieb im Besitz des Auricher Fürstenhauses und wurde ab 1726 wieder in zwei Wohnungen aufgeteilt und vermietet. Als Carl Edzard 1744 ohne männliche Nachkommen starb, nahm König Friedrich II. von Preußen Ostfriesland in Besitz. Das gräfliche Haus am Markt wurde 1755 mit einigen noch vorhandenen Möbeln öffentlich versteigert.
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Weßels, Paul: "In Communion gebrauchte Grabstetten". Zur Geschichte des christlichen Kirchhofs und des Friedhofs in Ostfriesland
Zusammenfassung
Christliche Kirchhöfe gab es in Ostfriesland erst seit dem späten Frühmittelalter. Man muss von einer langen Übergangszeit vom paganen Friedhof zum christlichen Kirchhof ausgehen. Die ältesten archäologischen Funde an der Großen Kirche in Emden lassen sich etwa auf die Mitte des 10. Jahrhunderts datieren. Auf der Geest entsprach diese Phase der Entstehung ortsfester Dörfer auf der Basis der neuen Wirtschaftstechnik der Plaggendüngung. Die Strukturen, die sich in dieser Zeit entwickelt hatten, haben sich über einen Zeitraum von etwa 800 Jahren erhalten.
Das faktische Wissen zum Aussehen und zur Organisation des mittelalterlichen Kirchhofs in Ostfriesland ist relativ gering und basiert auf Ergebnissen einzelner archäologischer Untersuchungen in Kirchen und drei größeren Grabungen auf den sehr unterschiedlichen Kirchhöfen der Kirchenwarf der Großen Kirche in Emden sowie auf den Wüstungen des Zisterzienserklosters in Ihlow und des Prämonstratenserklosters Barthe bei Hesel. Von Beginn an lassen sich in Emden und Ihlow Sargbestattungen nachweisen. Aber auch einfache Bestattungen der in ein Tuch eingewickelten Leichen – mitunter in Kopfnischengräbern mit Abdeckungen durch Bretter – waren vor allem im ländlichen Bereich möglich. Erst mit Beginn der Neuzeit wurde die Sargbestattung durchgängig üblich. In anderen Regionen Deutschlands typische Elemente des Kirchhofs – Totenleuchten, Hochkreuz, Beinhäuser – lassen sich in Ostfriesland nicht nachweisen. Sekundärbestattungen erfolgten als Knochenlager unter den neu Bestatteten.
Kirche und Kirchhof waren Besitz der stimmberechtigten Interessenten, Grabstellen galten als vererbbarer Privatbesitz. Der Kirchhof diente zugleich als Ort zur Regelung kirchlicher und gemeindlicher Verwaltungs- und Rechtsangelegenheiten. Die dörfliche Unterschicht und die Armen waren von diesen Prozessen ausgeschlossen und hatten auch keine Anrechte auf dem Kirchhof. Zeitweise zu vergebende Gräber der Kirchengemeinde und „Armengräber“ dienten zur Befriedigung ihrer Ansprüche.
Die Reformation hatte keine direkten Auswirkungen auf die Kirchhofsordnung, führte aber längerfristig zu einem größeren Bedürfnis nach individuellen Begräbnissen. Zugleich erhöhte sich bei steigenden Bevölkerungszahlen der Belegungsdruck auf die Kirchhöfe. Das führte allerorten zu chaotischen Verhältnissen, weil in der Regel weder Lagerbücher geführt noch Belegungspläne gepflegt wurden. Auf den Kirchhöfen dienten Holzpfähle als Markierungen. Grabsteine bildeten die Ausnahme, weshalb eine eindeutige dauerhafte Festlegung der einzelnen Grabstätten nicht möglich war und es zu häufigen Störungen der Totenruhe kam.
Diese Krise des Kirchhofs ging einher mit bedeutenden sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, dem Beginn der Binnenkolonisation, der Entstehung neuer Teilgemeinden und der langsamen Ablösung des noch mittelalterlich geprägten dörflichen Wirtschaftssystems.
Ein weiterer Impuls zur Reform der Verhältnisse bildeten seit dem Ende des 18. Jh. gesetzliche Regelungen, die aus hygienischen Erwägungen eine Verlegung der Kirchhöfe vor die Gemeinden einforderten. Damit wurden das Konsistorium und die Gesundheitspolizei wichtige Instanzen für die Regelung der funeralen Verhältnisse. Allerdings sind die Auswirkungen dieser Gesetzgebung nur insofern spürbar, als damit die Kirchenbestattungen etwa bis 1825 in Ostfriesland eingestellt wurden. Zu Kirchhofsverlegungen aus gesundheitlichen Gründen ist es in den ländlichen Kirchengemeinden nicht gekommen.
Dem Mangel an Reglementierung auf dem Kirchhof wurde im 19. Jh. in mehreren zeitlich aufeinander folgenden Schritten begegnet: Kontrolle der Bestattungen durch die flächendeckende Einführung von Totengräbern, Klärung der Rechtsverhältnisse durch die Neuaufstellung von Lagerbüchern und die Neuordnung der Kirchhöfe, Erlassung von Kirchhofsordnungen zur sozialen Kontrolle der Bestattenden. Dem Raummangel begegnete man im 19. Jahrhundert in den Altgemeinden meist noch durch Kirchhofsvergrößerungen. Diese wurden außerdem entlastet durch die Errichtung eigener neuer Friedhöfe in den Kolonien, meist bei den Nebenschulen. Damit ging einerseits die Einführung des rechteckigen, planmäßig angelegten Typs der Begräbnisstätten einher, zugleich wurden auf diese Weise kommunale Friedhöfe in Ostfriesland eingeführt, noch bevor es in den Städten dazu kam. Einige dieser kommunalen Friedhöfe sind später in kirchliche Friedhöfe umgewandelt worden, und insgesamt gilt, dass der typische Kirch- oder Friedhof in Ostfriesland konfessionell ist. Etwa seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sind auch einige der alten Kirchengemeinden dazu übergegangen, zusätzlich zu ihrem Kirchhof einen extramuralen Friedhof anzulegen.
Mit der erfolgreichen Reglementierung der Verhältnisse auf den Kirch- und Friedhöfen in Ostfriesland ging ein radikaler Wechsel im Bild des Friedhofs in Ostfriesland einher. Eindeutige Grenzziehungen ermöglichten Einhegungen, Grabsteine und Beschriftungen. Das geschah etwa zeitgleich als Anpassung der Kirch- und Friedhofsverhältnisse in Ostfriesland an die allgemeine Situation im Deutschen Reich – in der Folge mit der Übernahme der verschiedenen Modeströmungen für Grabsteingestaltung, Grabeinfassungen und Grabschmuck. Diese Anpassungen setzen sich – mitunter zeitlich versetzt – bis in die Gegenwart fort, und demensprechend erfährt auch Ostfriesland mit der zunehmenden Säkularisierung eine schleichende Entwertung der Kirch- und Friedhöfe.
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Alma, Redmer: Die Särge und Toten in der Gruft der Kirche in Jennelt
Zusammenfassung
Die Gruft der reformierten Kirche zu Jennelt war ab 1616 bis zur Fertigstellung der Kirche zu Bargebur und deren Gruft 1684 die wichtigste Begräbnisstätte der Familie zu Inn- und Knyphausen. Dreizehn Särge haben die Jahrhunderte überdauert. Ursprünglich hat es am Ende des 17. Jahrhundert nur noch einige Kindersärge mehr gegeben. Schmuckstück der Gruft ist der Sarg, der bisher dem berühmtesten Mitglied der Familie in jenem Jahrhundert zugeschrieben wurde, dem Feldmarschall in schwedischen Diensten Dodo von Inn- und Knyphausen (1583-1636). Die meisten Särge sind derzeit nicht mit Namen versehen. Durch Archivforschung und eingehendere Betrachtung der Särge konnten die meisten erhaltenen Särge trotzdem identifiziert werden. Es stellte sich heraus, dass der berühmte Feldherr in einem, der Epoche entsprechenden einfachen Sarg bestattet wurde, während der 1983 restaurierte Prunksarg den Leichnam seiner Schwiegertochter Occa Johanna Ripperda (1619-1686) enthielt. Der Sarg wurde 1687 im Auftrag der schwedischen Königin für ihre Oberhofmeisterin hergestellt und im nächsten Jahr von Stockhom nach Jennelt überführt. Weitere Informationen über die Särge und die Leichenbegängnisse der darin beigesetzten Mitglieder der Knyphausensche Familie bieten einen Hinblick in die funeräre Kultur Ostfrieslands.
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Hermann, Michael: Handlungsspielräume der Arbeiter- und Soldatenräte in Ostfriesland 1918/19
Zusammenfassung
Innerhalb kürzester Zeit gründeten sich auch in Ostfriesland zahlreiche Arbeiter- und Soldatenräte, die sich in der frühen revolutionären Phase vor allem als Institutionen des Übergangs verstanden und nicht danach strebten, die traditionellen Verwaltungsstrukturen auf kommunaler Ebene zu ersetzen. Vielmehr beschränkten sie sich weitgehend auf die von der Reichsregierung in ihrem Erlass vom 13. November 1918 zugestandene Kontrollfunktion. Vielfach verlief die Zusammenarbeit zwischen den Räten und den lokalen Behörden reibungslos, konnte aber auch zu größeren Konflikten führen wie z.B. auf Borkum oder in Emden.
Ab 1919 wurden auf dem Verordnungswege – z.B. durch Finanzierungsregelungen – die Handlungsspielräume der Arbeiter- und Soldatenräte insgesamt und damit auch der ostfriesischen Räte immer weiter eingeschränkt. Schließlich haben sich die meisten Arbeiter- und Soldatenräte in Ostfriesland nach Konstituierung der Nationalversammlung selbst aufgelöst, wobei die Arbeiterräte als eigenständige Institution zum Teil noch bis Ende 1919 bestehen blieben.
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II. Miszellen
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Lengen, Hajo van: Der Neubau der Auricher Burg von Ulrich Cirksena
Einleitung
Im Mittelalter hat Aurich zweimal einen Burgenbau erlebt. Das heutige vierflügelige Schloss, errichtet 1852 unter hannoverscher Herrschaft, ist weitgehend ein Neubau, aber auf der Grundlage des überkommenen, bis auf den zweiten, spätmittelalterlichen Burgenbau zurückreichenden Bestandes. Der Anfang mit dem ersten Burgenbau wurde im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts gemacht, der zweite, Ulrichs Neubau, erfolgte gegen Mitte des 15. Jahrhunderts. Im Unterschied zur ersten Auricher Burg lässt sich das Aussehen dieser zweiten nun aufgrund einer knappen, deren Hauptmerkmal bezeichnenden Quelle und aufgrund einer diese Aussage bezeugenden Skizze auf einer Karte näher bestimmen. Dieses Bild wird zudem gestützt durch erhalten gebliebene Darstellungen von zwei weiteren Burgenbauten Ulrichs jener Jahre. Das aufzuzeigen und darin auch den politischen Hintergrund dieser Bautätigkeit kurz mit einzubeziehen, ist das Anliegen dieses Beitrages.
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Schreiber, Gretje: Die Mätressen und die natürlichen Kinder der ostfriesischen Grafen
Einleitung
Die glanzvolle Institution der Mätresse würde man nicht ohne weiteres mit der Geschichte des ostfriesischen Grafen- und Fürstenhauses verbinden. In historischen Zusammenhängen denkt man an die Fürstin von Eboli, die Gräfin Dubarry oder die Marquise de Pompadour. Mätressen waren aber weder ein besonderes Phänomen der höchsten Herrscherhäuser noch ein Gradmesser für die Degeneration eines Herrscherhauses. Sie bildeten vom 15. bis 18. Jahrhundert einen festen und öffentlichen Bestandteil des höfischen Machtgefüges, konnten den Status eines Hofbeamten haben, und sie dienten auch an niederen Herrscherhäusern dem Zweck der Repräsentation. Es war gesellschaftlich akzeptiert, dass der Herrscher neben seiner Ehefrau auch eine offizielle Mätresse haben konnte, die mitunter sogar bei öffentlichen Anlässen gemeinsam mit der Fürstin auftrat. Nachdem eine Mätresse offiziell vorgestellt worden war, konnte sie aus dem Etat des Herrschers eine Wohnung und offizielle Zahlungen aus der Staatskasse erhalten. Die „natürlichen“Kinder aus diesen Verbindungen standen dem Herrscher in der Regel sehr nahe – in der ersten Rangklasse am Hof – und hatten Vortritt vor dem Adel des Landes. Erst seit dem 19. Jahrhundert werden mit der Mätresse verstärkt auch die klischeehaften Vorstellungen von Dirnen und Huren, von Erotik und Laster und von luxuriöser Verschwendung verbunden. Deshalb hat die Geschichtsschreibung diesem Phänomen lange keine Beachtung geschenkt. Bislang gibt es auch über die Mätressen in Ostfriesland und deren sozialen Stand keine zusammenhängende Darstellung. Leider ist die Quellenlage auch nicht sehr ergiebig. In dem folgenden Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle Mätressen in der höfischen Gesellschaft spielten und wie weit die „natürlichen Kinder“aus diesen Verbindungen mit den ostfriesischen Grafen öffentlich anerkannt und finanziell unterhalten wurden.
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Albers, Lutz: Der lange Prozess um das Erbe des Grafen Edzard
Einleitung
Der Prozess zwischen den Grafschaften Waldeck und Ostfriesland vor dem Kaiserlichen Reichskammergericht ging bereits in sein neunzigstes Jahr, als sich 1655 schließlich ein Ende abzeichnete. Im Laufe der Jahre hatten sich die Prozessbeteiligten ständig geändert, nicht nur auf Seiten der Kläger und der Beklagten, sondern auch bei den bevollmächtigten Vertretern und Richtern. Verschiedenste Advokaten hatten für das Verfahren zahllose Schriftsätze verfasst und weitschweifige Vorträge gehalten.
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III. Neue Literatur
IV. Berichte
Ostfriesische Fundchronik 2018 (1,51 MB)
30 Jahre Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung – ein Rückblick (1,52 MB)