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Bley, Matthias: Das Prämonstratenserkloster Langen zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Teil 2: Zur inneren Struktur des Konvents: Doppel-, Männer- oder Frauenkloster?
Zusammenfassung aller drei Teile
Die Geschichte der Prämonstratenser in Ostfriesland ist – mit Ausnahme Barthes – in jüngerer Zeit nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen, dies betrifft die Ebene der einzelnen Häuser ebenso wie deren Einbettung in übergreifende Netzwerke des Gesamtordens. Gerade für Langen erweist sich die regelmäßig vorgebrachte Klage über eine defizitäre archivische Überlieferung lediglich bis zur Mitte des 14. Jhs. als berechtigt. Für die folgenden gut anderthalb Jahrhunderte existiert mit 136 Originalurkunden, einem 296 Einträge umfassenden Kopialbuch (das auch eine Reihe historiographischer Notizen beinhaltet) sowie dem am Beginn des 16. Jhs. angelegten Güterverzeichnisses ein auch nach überregionalen Maßstäben reichhaltiger Quellenfundus. Dieses Material ist für wirtschaftsgeschichtliche Fragen besonders ergiebig, kann jedoch bspw. ebenso als Grundlage für die Erforschung klösterlicher Reformbestrebungen in Ostfriesland während des späten Mittelalters herangezogen werden.
Die für den westfriesischen Raum attestierte krisenhafte Entwicklung der Klöster seit Mitte des 14. Jhrdts., der eine längere wirtschaftliche Blütezeit vorangegangen war, lässt sich für Langen auf den ersten Blick nicht beobachten: Eine Zusammenstellung des klösterlichen Grunderwerbs zwischen 1350 und 1429 belegt zwar für die Schenkungen einen Einbruch am Beginn der 1380er Jahre, diese Phase niedriger Aktivität dauerte jedoch nur knapp zwei Jahrzehnte an. Zudem standen weiterhin Geldmittel für den Ankauf von Liegenschaften zur Verfügung, auch die Arrondierung des bereits bestehenden Besitzes durch Tausch wurde fortgeführt. Fast parallel zum Rückgang der Schenkungen an das Kloster erhielt Langen Anfang 1372 päpstliche „conservatoria“, d.h. Unterstützung bei der Wahrung/Wiederherstellung seiner (Besitz-)Rechte. Ein konkreter Anlass dafür wird nicht benannt, verschiedene Koinzidenzen lassen sich aber beobachten: 1. Wohl in die 1370er Jahre fallen längerfristige Auseinandersetzungen des Konvents mit den Häuptlingen von Larrelt. 2. Zwei Jahre nach Erteilung der „conservatoria“ wird Langen aus der Aufsicht des Mutterklosters Marne entlassen, diesem Schritt ging nach Ausweis der Urkundenüberlieferung ein lange schwelender Streit voraus. 3. 1392, also gut zwanzig Jahre später, nimmt Papst Bonifaz IX. den angeblich „zügellosen“ Lebenswandel in den friesischen und holländischen Prämonstratenserklöstern zum Anlass, umfassende Visitationen derselben anzuordnen. Inwiefern auch in Langen die Ordnung des Zusammenlebens Anlass zur Kiritk bot, überliefern die Quellen nicht. Allerdings ist für die Zeit zwischen 1394 und 1404 kein Propst an der Spitze des Konvents belegt.
Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, wie denn der Lebenswandel in den friesischen Prämonstratenserklöstern die Kritik der Zeitgenossen geweckt haben könnte, bietet ein Schreiben Gregors XII. aus 1408: Dem Abt der Benediktiner von Feldwerd gegenüber beklagt der Papst jene Verfehlungen, die aus dem in (Ost-) Friesland weiterhin verbreiteten Institut des Doppelklosters erwachsen würden. Auch innerhalb des Prämonstratenserordens nahmen die friesischen Klöster dahingehend eine Sonderstellung ein: Anderorts verschwanden die in der Gründungsphase durchaus verbreiteten Doppelstifte schon während des frühen 13. Jhs. Für Langen lässt sich spätestens 1355 ein Frauen- neben einem Männerkonvent nachweisen, auch 40 Jahre später deutet alles auf eine gleichberechtigte Koexistenz von Chorherren und -schwestern unter der (gemeinsamen) Führung eines Propstes. Hinterfragt wird diese Form des Zusammenlebens nachweislich während der 1430er Jahre, als fehlender Nachwuchs offenbar den Fortbestand des Klosters gefährdete und daher der Entschluss zur Übertragung an den Abt der Zisterzienser von Termunten fiel. Eine Umsetzung dieses Vorhabens blieb jedoch ebenso aus wie die parallel dazu angekündigte Verlegung und Austrocknung des Frauenkonvents. So wirkten auch in der Folgezeit Konventuale beiderlei Geschlechts an der Wahl neuer Pröpste mit, 1450 angeblich geduldet durch den Vaterabt in Prémontré selbst. Eine Änderung deutet sich in den 1480er Jahren unter Propst Johann (von) Boemel an. Nun war es der Männerkonvent, der zunehmend in den Hintergrund trat, spätestens 1490 dürfte es sich bei Langen dann um ein reines Frauenkloster gehandelt haben. Diese Entwicklung fand anscheinend die Zustimmung der Ordensleitung: In einer Urkunde aus dem April 1499 wird der Propst von Langen als einer von zwei Visitatoren für die Häuser der Prämonstratenser in Friesland benannt.
Die versuchte Übertragung Langens im Frühjahr 1434 eröffnet Verbindungslinien zu einem der damals für den deutschen Nordwesten bzw. die nördlichen Niederlande bedeutendsten klösterlichen Reformzentren: Die Wirksamkeit des Abtes Boyngus von Menterna/ Termunten reichte im ersten Drittel des 15. Jhs. bis in das Rheinland und die Stadt Köln. Auch wenn er im April 1434 nicht namentlich in Erscheinung trat, dürfte Boyngus doch für die Vorbereitung des Unternehmens eine entscheidende Rolle gespielt haben. Eine sorgfältige Prüfung des Quellenmaterials lässt vermuten, dass der Abt von Termunten Ende 1433 nach Basel aufgebrochen und im Frühjahr 1434 auf dem Rückweg vom Konzil verstorben war. Sein Tod vor dem faktischen Abschluss der Übertragung Langens an die Zisterzienser dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass selbige niemals realisiert wurde. Seit der Mitte des 15. Jhs. werden die Fehlleistungen der Pröpste von Langen zu einem wiederkehrenden Motiv innerhalb der lokalen Überlieferung, die Ordnung des Zusammenlebens im Konvent und der klösterlichen Wirtschaft rücken dabei gleichermaßen in den Fokus. Ebenso wie er die Entwicklung zum Frauenkonvent zumindest begleitet hat, kommt Johannes Boemel auch für die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Langens die treibende Rolle zu.
Teil 1 (Emder Jahrbuch 91.2001) noch nicht online erschienen – Druckausgabe im Katalog)
Teil 3 (Emder Jahrbuch 98.2008 – PDF, 285,41 kB)Teil 2 (PDF, 1,07 MB)
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Köller, André R.: Handlungsspielräume der Grafen von Ostfriesland im Rahmen der Glaubensspaltung
Zusammenfassung
Die Anfänge der Glaubensspaltung in der Grafschaft Ostfriesland liegen in der Zeit um 1520. Graf Edzard konnte und wollte das Eindringen der neuen Lehre nicht verhindern. Die Auswirkungen der Verkündung durch einige wenige Prediger waren zunächst auch nicht absehbar. Ein aktiver Förderer war er nicht, auch wenn er in der protestantischen ostfriesischen Geschichtsschreibung seit Eggerik Beninga dazu überhöht wurde. Vielmehr musste Edzard im Inneren und mit dem Blick auf seine Nachbarn im Nordwesten auf Rücksichtnahme bedacht sein. Noch zu seinen Lebzeiten kam es zur Spaltung der Anhänger der neuen Lehre in Lutheraner einerseits und Karlstadtianer und Zwinglianer andererseits. Ihr Konkurrenzkampf untereinander und gegen die Altgläubigen sorgte für erhebliche Unruhe, die auch die politische Ordnung zusehends gefährdete.
Graf Enno trat ein schweres Erbe an. Er verfügte nicht über die erforderlichen Handlungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume, um als Landesherr religionspolitisch für Ordnung sorgen zu können. Sein Zugriff auf Kirchen- und Klostergüter ergab sich zwar auch aus Handlungsnotwendigkeiten, führte aber vor allem zu einer Verschärfung der Situation. Andernorts verdrängte Anhänger aller möglichen Richtungen der neuen Lehre zog es in die Grafschaft Ostfriesland. Der Druck von außen nahm zu. 1529/1530 suchte Enno mit einer lutherischen Kirchenordnung, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das gelang nicht. Schuld daran war nicht persönliche Schwäche Ennos, wie in der ostfriesischen Geschichtsschreibung behauptet wird. Seine Gegner verstanden es vielmehr, ihre Handlungsspielräume auf Kosten der landesherrlichen Autorität auszunutzen.
Vollständiger Aufsatz (PDF, 582,67 kB)
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Linde, Benjamin van der: Der Emder Wall und die niederländische Garnison
Zusammenfassung
2016 wurde in Emden das 400-jährige Jubiläum des Baus des Walls gefeiert. Der Aufsatz untersucht Bau und Ausbau der Wehranlagen und konzentriert sich dabei auf die Rolle der niederländischen Garnison, die von 1602/03 bis 1744 in Emden bestanden hatte. Dabei wird der generelle Einfluss der Niederländer in Emden und Ostfriesland in Bezug auf Wall und Garnisonierung in Emden thematisiert. Anhand der Bautätigkeiten am Wall wird das politische Interesse der Niederländer an Ostfriesland dargestellt. Gerade wenn Emden – und im 17. Jahrhundert damit auch die Niederlande selbst – militärisch bedroht waren, rückte der Wall in den Fokus der Niederlande. Dies zeigt sich u.a. darin, dass die Niederlande aufgrund ihrer Garnison die Wehranlage zum Teil ausbauen ließen und auch in späterer Zeit dafür sorgten, dass diese wieder instand gesetzt wurden. Verstärkt inspizierten die Niederlande die Anlagen nach dem Appellekrieg (1726/27). Besonders in den Jahren vor dem Übergang Emdens und des Fürstentums Ostfriesland an Preußen waren die Niederländer verunsichert und überlegten, ob sich weitere Investitionen in die Garnison lohnen würden. 1742 war ihnen schließlich bewusst, dass die Garnison bald an Preußen fallen würde. Zudem spielte die Garnison kaum noch eine Rolle im Verteidigungssystem. Der Wall spiegelt somit die niederländischen Interessen bei der Verteidigung ihres Gebiets wider. Zur Beantwortung der Fragestellung werden erstmalig die in den niederländischen Archiven überlieferten Akten zu Emden und Ostfriesland in Bezug auf den Wall ausgewertet.
Vollständiger Aufsatz (PDF, 1,65 MB)
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Weßels, Paul: Gemeindeweiden, Gemeinheitsteilungen und die Folgen für bäuerliche Wirtschaft und Kolonien der ostfriesischen Geest im 18. und 19. Jahrhundert
Zusammenfassung
Der Aufsatz beschäftigt sich mit den Veränderungsprozessen der Landschaft der zentralen ostfriesischen Geest und der früheren Moorgebiete im Geestrandbereich in Ostfriesland vom Hochmittelalter bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Zentrum steht die Umgestaltung der Landschaft in der Folge des Urbarmachungsedikts.
Ausgehend von der Entstehung der Heide-Moor-Landschaft auf der Basis der Einfeldwirtschaft („Ewiger Roggenbau“) und der Plaggendüngung um 1.000 n. Chr. mit sehr weitläufigen, genossenschaftlich bewirtschafteten Gemeindeweiden als drittem Standbein der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen bäuerlichen Geestwirtschaft neben Meeden und Äckern werden Veränderungsprozesse dieses durch unfruchtbare Sandböden und begrenzte Ressourcen charakterisierten Wirtschaftssystems als Folge von Bevölkerungswachstum und Buchweizenanbau in Moorbrandkultur beschrieben. Eine aktive und gezielte Umgestaltung dieser Landschaft setzte in Ostfriesland ein auf der Grundlage des preußischen Urbarmachungsedikts ab 1765 mit dem herrschaftlichen Besitzanspruch auf alle „Wildnisse und Moräste“, also alle nicht aktiv und aktuell durch die Bauern bewirtschafteten Flächen. Zur Hebung der Steuereinnahmen sollten die freien Flächen an Kolonisten in Erbpacht vergeben werden. Das Urbarmachungsedikt führte – als Frühform der modernen Flurbereinigung – zu General- und Spezialteilungen der gemeinschaftlich bewirtschafteten Weide und damit zu einer grundlegenden Umgestaltung der Landschaft. Allerdings ließ sich dieser Prozess in preußischer Zeit wegen der Widerstände der Bauern und auch der unterbäuerlichen Schichten noch recht zögerlich an. Ebenso wie der größere Teil der Kolonate erst im 19. Jahrhundert vor allem unter hannoverscher Herrschaft vergeben wurde, hat man auch die meisten Gemeinen Weiden erst in dieser Zeit geteilt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war dieser Prozess weitgehend abgeschlossen. Die Verkoppelung der Gasten schloss sich erst daran an. Der kurz- und mittelfristige wirtschaftliche Erfolg der Gemeinheitsteilungen scheint eher zweifelhaft gewesen zu sein, weil damit das über Jahrhunderte fortdauernde Düngerproblem nicht gelöst werden konnte. Große Produktionssteigerungen auf den Sandböden wurden erst mit der Einführung von Mineraldünger in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erzielt.
Vollständiger Aufsatz (PDF, 2,13 MB)
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Hoffmann, Kirsten: Irrenfürsorge in Ostfriesland - die Sandhorster Privat-Irren-Pflegeanstalten
Zusammenfassung
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden in dem heute zu Aurich gehörenden Ort Sandhorst drei Privat-Irrenpflegeanstalten, die in der niedersächsischen Landschaft psychiatrischer Einrichtungen einzigartig waren. Sie passten in keines der im 19. und frühen 20. Jahrhundert bekannten Versorgungsmodelle. Weder handelte es sich hierbei um die klassische Familienpflege oder eine Irrenkolonie, die beide unter Aufsicht einer Facheinrichtung standen, noch waren es „herkömmliche“ Privatanstalten, die von einem Arzt geleitet wurden. Die Betreiber der Sandhorster Pflegeheime waren vielmehr einfache Bauern, die gegen Kost und Logis bis zu 20 Irre bei sich aufnahmen und diese je nach Vermögen in den landwirtschaftlichen Betrieb und die Familie integrierten. Während der ersten Jahre ihres Bestehens unterstanden sie keinerlei Aufsicht oder Kontrolle, und sie hatten sich in dieser Zeit in der Region einen gewissen Ruf nicht nur als Pflege- sondern auch als Heilanstalt erworben. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts gerieten sie in den Fokus der Behörden, die ein Fortbestehen nur unter der Bedingung gestatteten, dass künftig lediglich unheilbare und ungefährliche Irre aufgenommen würden.
Trotz kontinuierlicher amtlicher, besonders auch amtsärztlicher Kritik an der schlichten Ausstattung und wiederkehrenden Überlegungen, die Anstalten zu schließen, konnten sich die Betreiber bis weit in das 20. Jahrhundert behaupten. An der Grundstruktur änderte sich während der gesamten Zeit ihres Bestehens nichts, lediglich die bauliche Ausstattung musste gelegentlich nachgebessert werden. Die Psychiatrie-Reform in den 1970er Jahren änderte den Blick auf die Pflegeanstalten nachhaltig, so dass eine Weiterführung nicht mehr möglich war.
Vollständiger Aufsatz (PDF, 861,88 kB)
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Kappelhoff, Bernd: Von der übervollen Sammlungsschau zum Ostfriesischen Landesmuseum Emden als Volksbildungsstätte. Die Auseinandersetzungen um die konzeptionelle Neugestaltung des Museums der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden ab 1927/28 und der Kampf um ihre Gleichschaltung im NS-Staat - Teil 2
Zusammenfassung aller drei Teile
Der Aufsatz stellt die Geschichte des aus dem 19. Jahrhundert überkommenen Museums der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden und seines Wandels zu einer nach modernen museumspädagogischen Gesichtspunkten eingerichteten allgemeinen Bildungseinrichtung seit den späten 1920er Jahren dar und zeichnet seine weitere Entwicklung unter dem 1934 verliehenen neuen Titel „Ostfriesisches Landesmuseum“ bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs nach. Die Darstellung, die mit der Einordnung dieses Modernisierungsprozesses in die allgemeine Museumsreformbewegung in Deutschland seit dem Ende des Ersten Weltkriegs einsetzt und sich auf eine Vielzahl bislang völlig unbekannt gewesener Quellen stützen kann, ist für diesen Zeitraum zugleich eine in höchstmöglichem Maße authentische Geschichte der das Museum tragenden „Emder Kunst“ selbst, denn auch deren Wandlung von einer behäbigen bürgerlichen Honoratiorenvereinigung mit allerdings teilweise hohem geschichtswissenschaftlichen Anspruch zu einer gesellschaftlich breiter verwurzelten und näher an den Ansprüchen der Gegenwart ausgerichteten Institution wird bis in viele Verästelungen hinein beschrieben und analysiert.
Im ersten Teil steht der ab 1927/28 unternommene Versuch im Mittelpunkt, das Museum massiv zu entschlacken und zu einer modernen Volksbildungsstätte umzugestalten. Dieser Versuch scheiterte jedoch, weil der eigens zu diesem Zweck eingestellte Museumskonservator Jan Fastenau, die erste hauptamtlich tätige Fachkraft dieses Hauses überhaupt, den Anforderungen des musealen Alltags zu wenig genügte und deshalb mit dem Vorstand der „Kunst“ in einen tiefgreifenden Konflikt geriet, der jahrelang alle Ansätze zu einer zeitgemäßen Modernisierung des Museums wirkungslos bleiben ließ. Mit Fastenaus Entlassung im Sommer 1933 fand dieser Konflikt allerdings keineswegs ein Ende, vielmehr verschärfte sich – dies ist das Hauptthema des zweiten Teils – die Auseinandersetzung seitdem massiv, denn durch das Eingreifen des nationalsozialistischen Kampfbundes für deutsche Kultur, das von einigen der höchsten Kulturrepräsentanten der Provinzialverwaltung in Hannover heimlich veranlasst worden war und über Monate hin ebenso heimlich gesteuert wurde, ging es nunmehr um die Gleichschaltung des „Kunst“-Vorstands und um die Ausrichtung der „Kunst“ auf die Ziele des NS-Staates überhaupt. Zum Hauptakteur in diesem Kampf auf Seiten der „Kunst“ wurde der erst Anfang 1933 mit gerade 26 Jahren als Schatzmeister in deren Vorstand aufgestiegene Anton Kappelhoff, dessen zäher und phantasiereicher Einsatz den Elan der Angreifer ermüden ließ und schließlich im Frühjahr 1934 nach dem unvermeidlich gewordenen Rücktritt des bisherigen Vorstands dazu führte, dass er nach dem nunmehr geltenden Führerprinzip vom Auricher Regierungspräsidenten zum 1. Vorsitzenden der „Kunst“ berufen wurde.
Im dritten Teil geht es um die von Kappelhoff fortan über mehrere Jahre hin betriebene und inhaltlich von Alexander Dorner, dem Leiter der Kunstabteilung des Landesmuseums Hannover, maßgeblich unterstützte grundlegende Modernisierung und Erweiterung des Museums, durch die er es erreichte, dass das Emder Haus zu einem der besten Museen der Provinz Hannover wurde. Dessen damaliger, bislang nur ansatzweise bekannter Zustand wird hier erstmals systematisch rekonstruiert und mit Hilfe zahlreicher aussagekräftiger Fotos weitestgehend visualisiert. Kappelhoffs großer Einsatz für die „Kunst“ und ihr Museum wurde allerdings nicht belohnt, denn Ende 1937 geriet er infolge einer Intrige mit der örtlichen Leitung der NSDAP in Konflikt und musste sein Amt als 1. Vorsitzender der „Kunst“ abgeben. Das von ihm mit so großem Erfolg umgestaltete Museumsgebäude ist im Zweiten Weltkrieg zwar untergegangen, doch der größte Teil von dessen Beständen blieb erhalten und bildete später die Grundlage für den Wieder- bzw. Neuaufbau des Ostfriesischen Landesmuseums.
Teil 1 (Emder Jahrbuch 96.2006) noch nicht online erschienen – Druckausgabe im Katalog)
Teil 3 (Emder Jahrbuch 98.2008 – PDF, 2,29 MB)Teil 2 (PDF, 818,05)
II. Miszellen
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Heinze, Axel: Moorbriefe aus dem Amt Esens
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Nach dem Urbarmachungsedikt von Friedrich II. aus dem Jahr 1765 wurden die weitgestreckten Moor- und Heidelandschaften Ostfrieslands in verschiedenen Formen kultiviert. Eine dieser Formen war die Moorkolonisation, in der einzelne Interessenten ein Kolonat beantragen konnten. Sie bekamen eine Fläche unkultivierten Landes zugewiesen, die zumeist aus Heide und Moorflächen bestand. Im ersten Jahr mussten sie eine Behausung nachweisen und innerhalb von sechs Jahren die Hälfte der Fläche kultiviert haben. Nach dieser Frist wurde eine Erbpacht für die Fläche verlangt, nach zehn Jahren mussten Steuern entrichtet werden.
[…]Vollständiger Aufsatz (PDF, 1,60 MB)
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Brüdermann, Stefan: Gräfin Karoline zu Schaumburg-Lippes Tagebuch einer Reise nach Norderney im Sommer 1815
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Gräfin Karoline zu Schaumburg-Lippe (1786-1846) gehörte zu einer Seitenlinie des Hauses Lippe, die in Bückeburg regierte. Die Grafschaft Schaumburg-Lippe entstand 1647 aus der Erbteilung der Grafschaft Schaumburg nach dem Aussterben der Dynastie Holstein-Schaumburg. Das so gebildete Territorium um die Städte und Ortschaften Bückeburg, Stadthagen und Steinhude umfasste 16 Kirchspiele mit etwa 22.000 Einwohnern (Stand 1814) auf einer Fläche von etwa 340 Quadratkilometern. Das Gebiet war ländlich geprägt und mit einem reichen Lößboden gesegnet, mit der Weser und dem alten Hellweg von wichtigen Verkehrsachsen berührt oder durchzogen. Diese kleine Grafschaft wurde zum Herrschaftsgebiet einer lippischen Nebenlinie, die bald den Namen „Schaumburg-Lippe“ annahm.
[…]Vollständiger Aufsatz (PDF, 625,01 kB)
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Schmidt, Aiko: "Jammertal" oder "Bronnweiler" - ein nationalsozialistischer Versuch zur Umbenennung des Altersheims "Bethanien" in Emden
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Am 14. Februar 1940 unterschrieb der Emder Oberbürgermeister Carl Heinrich Renken einen maschinenschriftlichen Vermerk, der folgende Forderung beinhaltete: „Dem städtischen Alters- und Siechenheim ‚Bethanien‘ ist ein anderer Name zu geben, da der Name ‚Bethanien‘ auf deutsch [sic!] ‚Jammertal‘ bedeutet.“
[…]Vollständiger Aufsatz (PDF, 656,06 kB)
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Ibbeken, Cornelia / Joosten, Reinald (Karten): Die Appellative 'Kloster', 'Mönch' und 'Nonne' in der ostfriesischen Flurnamensammlung
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In Ostfriesland hat es im Hoch- und Spätmittelalter ungefähr 30 Klöster gegeben. Sie waren für Ostfriesland zweifellos von großer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Das Kloster Ihlow spielte z.B. als Ort der Siegelverwahrung sogar eine herausragende Rolle. Ihre Leistung hinsichtlich der Erschließung unkultivierter oder vernässter Gebiete, in den Bereichen des Sielwesens und des Deichbaus waren von großer Bedeutung für die Entwicklung des Landes. Der umfangreiche klösterliche Landbesitz bildete die Basis für die herausgehobene wirtschaftliche und politische Bedeutung der Ordenshäuser und für ihre Unabhängigkeit. Bereits vor der Reformation versuchten die Landesherren, ihre Machtbefugnisse auf die Klöster auszuweiten. Diese Entwicklung wurde durch die Reformation voran getrieben und führte schließlich zur Säkularisierung und zum Verschwinden aller Klöster.
[…]Vollständiger Aufsatz (PDF, 2,15 MB)