Vor 150 Jahren erblickte der Heimatforscher Dodo Wildvang das Licht der Welt
– „Die Geologie Ostfrieslands“ von Dodo Wildvang –
Vor rund 150 Jahren – am 24. September 1873 – kam der Lehrer und Heimatforscher Dodo Wildvang im Marschendorf Groß-Midlum bei Emden zur Welt. Bekanntheit erlangte er vor allem als Geologe der ostfriesischen Halbinsel. Sein Hauptwerk „Die Geologie Ostfrieslands“ erschien 1938.
Nach einem Besuch der Volksschule in seinem Geburtsort absolvierte Wildvang 1894 das Lehrerseminar in Aurich. Ab 1899 war er als Lehrer in Upleward tätig. Schon zu dieser Zeit sammelte er in seiner Freizeit Flurnamen der Krummhörn und befasste sich mit geologischen Beobachtungen, die er vor allem in kleinere Zeitungsartikel und Vorträge für die Bauern der Krummhörn einfließen ließ. Nachdem ihm eine Schwerhörigkeit die reguläre Ausübung des Lehrberufs immer mehr erschwerte, suchte Wildvang Kontakte zur akademischen Welt. Mit der Unterstützung ostfriesischer Hochschullehrer fand er schließlich Zugang zur Preußischen Geologischen Landesanstalt in Berlin und nahm dort um 1911 an ersten geologischen Kursen teil. Gestützt auf diese Fortbildungen konnte Wildvang noch im selben Jahr seine fast siebzigseitige Studie „Eine prähistorische Katastrophe an der deutschen Nordseeküste und ihr Einfluss auf die spätere Gestaltung der Alluviallandschaft zwischen der Ley und dem Dollart“ veröffentlichen. Eine wichtige Quelle – neben eigenen Untersuchungen – waren für Wildvang stets intensive Gespräche mit ostfriesischen Landwirten, die ihm bereitwillig Auskunft gaben über Flurnamen oder historische Hintergründe.
Ab 1918 wurde Dodo Wildvang externer Mitarbeiter bei den geologisch-agronomischen Aufnahmen der Preußischen Geologischen Landesanstalt. Dafür erhielt er auch eine exakte Einführung in die Methoden der Pollenanalyse und in die Geschiebekunde. Nachdem er 1925 aufgrund seiner Schwerhörigkeit endgültig in den Ruhestand versetzt worden war, konnte Wildvang seine geologischen Untersuchungen in ganz Ostfriesland intensivieren. Er fertigte insgesamt 27 Messtischblätter – eine topografische Karte im Maßstab 1:25.000 -; u.a. von Aurich, Norden, Leer und Weener.
Durch ein Krebsleiden musste Wildvang seine Arbeit dann aber bis 1937 ruhen lassen. Nach vorläufiger Genesung entstand dann 1938 sein Hauptwerk „Die Geologie Ostfrieslands“, das bis heute durchaus als Standardwerk anzusprechen ist.
Die 208-seitige Studie erschien in der Reihe „Abhandlungen der Preußischen Geologischen Landesanstalt“ und gliedert sich in zwei Hauptteile. Das erste Kapitel „Diluvium“ befasst sich mit dem Pleistozän, dem vor etwa 2,5 Millionen Jahren beginnenden Zeitabschnitt der Erdgeschichte. Wildvang kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die ostfriesische Geest nicht als Einheit anzusprechen ist, sondern sich in zwei Abschnitte mit unterschiedlichem Charakter gliedert: einerseits eine Stauchmoräne – eine Form der Endmoräne – im Rheiderland und im Overledingerland, andererseits eine nordöstlich von Ems und Leda gelegene Grundmoränenebene, die zudem im Südosten einen steil ansteigenden Rand aufweist und im Nordwest eher flach ausläuft.
Im Kapitel „Alluvium“ geht es dann um das Holozän, dem vor rund 12.000 Jahren beginnenden und bis in die Gegenwart reichenden Erdzeitalter nach Ende der Eiszeit. Hier unterteilt Wildvang die Darstellung in Beschreibungen von Mooren und Marschen. Im ersten Abschnitt fasst der Autor den Vertorfungsprozess zusammen, nennt wichtige Torfarten und führt ein Normalprofil sowie seine Entwicklung auf. Außerdem geht Wildvang auf die im Moor konservierten archäologischen Funde wie diverse Moorleichen, die Sonnenscheibe von Moordorf und den Hakenpflug von Walle ein. Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Marschen, zunächst aus bodenkundlicher Sicht, dann hinsichtlich der Stratigraphie. Diese Untersuchung der Sedimentschichten ist als Hauptteil von Wildvangs Arbeit anzusehen und umfasst immerhin gut ein Viertel des gesamten Buches.
Anhand eines umfangreich vorgestellten Normalprofils von Pilsum gelingt Wildvang – auch im Vergleich mit anderen Befunden aus den Niederlanden bzw. durch Gespräche mit ostfriesischen Landwirten – eine Gliederung des Marsch-Alluviums in vier Schichten: erstens eine Festlandsperiode, während der sich das sog. Basismoor bildete, zweitens eine Überflutungsperiode mit der Ablagerung einer mehrere Meter mächtigen Tonschicht auf dem Moor, drittens einer zweiten Festlandsperiode mit der Herausbildung des oberen Torfhorizonts und schließlich viertens einer zweiten Überflutungsperiode, während der sich die obere Tonschicht ablagerte.
Als Anhang folgen 23 Tafeln mit von Wildvang selbst fotografierten geologischen Besonderheiten – u.a. eine Düne in Holle Sand in der Gemeinde Uplengen – und einer Höhenschichtenkarte der ostfriesisch-oldenburgischen Geest. Eine geologische Übersichtskarte Ostfrieslands im Maßstab 1:100.000 rundet das Buch ab.
Bei einem 1938 veröffentlichten Buch sei noch der Hinweis gestattet, dass eine politische – also vor allem nationalsozialistische – Färbung auch in der Einleitung nicht erkennbar ist. Dodo Wildvang hat ein reines Fachbuch veröffentlicht, das keine politischen Untertöne aufweist.
Dodo Wildvang verstarb am 12. November 1940 in Emden. Er wurde auf dem dortigen Bolardusfriedhof beigesetzt. Das hohe Ansehen des bekannten Geologen – seit 1939 Ehrendoktor der Universität Göttingen – spiegelt sich auch darin, dass er Ehrenmitglied in der Naturforschenden Gesellschaft zu Emden und in der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden war. In Emden fungierte er auch als ehrenamtlich tätiger städtischer Beirat. Außerdem erinnern Straßennamen im Emder Stadtteil Port Arthur/Transvaal, in Weener, in Upleward und in Aurich an ihn. Wildvangs geologische Studien waren für die Zeit ihrer Entstehung geradezu mustergültig detailliert und erfreuen sich u.a. bei Archäologen bis in die Gegenwart hinein großer Beliebtheit.
Heiko Suhr