Völkisch-nationale Hausforschung im Dritten Reich
– „Steenhus und Krüßelwark in Ostfriesland und im Jeverland“ von Karl Maas –
Forschungen zur Baugeschichte auf der ostfriesischen Halbinsel sind nicht zuletzt durch das interdisziplinäre Projekt „Manifestationen der Macht“ auch einem breiteren Publikum bekannt. Grundlagenforschung wurde aber bereits viel früher betrieben. Dazu gehört die heute kaum mehr beachtete Dissertation des Architekten Karl Maas mit dem Titel „Steenhus und Krüsselwark“ aus dem Jahr 1943, die eine vergleichende Analyse zwischen Ostfriesland und dem Jeverland versucht. Beim hier vorgestellten Auricher Exemplar handelt es sich um ein als Maschinenschrift vervielfältigtes Exemplar mit zeitgenössischen Fotoabzügen. Da die Arbeit während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden ist, lohnt ein kritischer Blick sowohl auf den Autor als auch auf den Inhalt der Arbeit.
Der Verfasser Karl Maas ist am 15. Oktober 1911 in Bremen-Walle zur Welt gekommen. 1936 nahm er eine Tätigkeit für das Marinestandortbauamt in Wilhelmshaven auf, wo er u.a. an der Planung des Stationsgebäudes (1937) und des Lazaretts Sanderbusch (1937) beteiligt war. Noch während seiner Wilhelmshavener Zeit muss Maas sich entschieden haben, seine beruflichen Perspektiven durch eine Dissertation zu verbessern. Er wurde schließlich 1943 in Braunschweig mit seiner Arbeit „Steenhus und Krüßelwark in Ostfriesland und im Jeverland. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des friesischen Bauernhauses“ mit Erfolg promoviert.
Die Dissertation folgt dem üblichen wissenschaftlichen Schema und legt zunächst den Forschungsstand dar, der aber schnell in eine im NS-Jargon formulierte Polemik gegen die „Stillosigkeiten der Gründerjahre“ ausufert und mit dem Plädoyer für eine Rückkehr zum „gesunden Instinkt des Deutschen zum Bauerntum“ endet.
Maas engt seine Studie dann geografisch auf Ostfriesland und das Jeverland ein. Einleitend definiert er seine zentralen Begriffe. Ein Steinhaus sei demnach ein „Zweckbau“, meist ein ländlicher Häuptlingssitz, der aufgrund der das Haus umgebenden Gräben gut zu verteidigen gewesen sei und daher im Notfall den Menschen im Umland auch Schutz geboten hätte. Steinhäuser seien im weiteren Verlauf mit einem Wirtschaftsteil – in der Regel einer Gulfscheune – erweitert worden. Typisch für die Gulfscheunen sei der zwischen den Ständern eingeschlossene Lagerraum für die Ernte. Eine besondere Form dieser Gulfscheune sei das Krüsselwark – dem Namen nach eine Kreuzform andeutend -, das durch eine längs gerichtete Gulfscheune an ein quer gerichtetes Steinhaus angebaut worden sei. Krüsselwarke seien nur an Steinhäusern zu beobachten.
Maas‘ Herleitung dafür, warum Wohn- und Wirtschaftsteil in Ostfriesland und im Jeverland im Gegensatz zum Niedersachsenhaus so streng voneinander getrennt waren, offenbart dann völlig eine völkische Gesinnung. Er konstatiert einen „rassisch bedingten Hang nach äußerer Sauberkeit“ des Friesen.
Im Hauptabschnitt beschreibt Maas dann die von ihm untersuchten Bauten im Norderland, im Brookmerland, im Rheiderland und im Jeverland, um dann Übergangsformen zum unbefestigten Herrensitz, zur Burganlage und zum Bürgerhaus herauszuarbeiten. Diese Passagen sind überwiegend frei von NS-ideologischen Bewertungen und fassen die Forschungsergebnisse, die teilweise bis heute Bestand haben, zusammen. Dazu gehört die Beobachtung, dass Gulfhäuser nach niederländischem Vorbild (Provinzen Friesland und Nordholland) entstanden sind, sich somit von West nach Ost entwickelten und Ende des 16. Jahrhunderts schließlich auch Ostfriesland erreichten.
Maas kommt zu dem Ergebnis, dass die Verteilung der Steinhäuser in Ostfriesland ganz unterschiedlich ist. Während Steinhäuser im Rheiderland „nicht übermäßig häufig“ und im Harlingerland „so gut wie“ gar nicht vertreten seien, könne man im Brookmerland immerhin eine „dünn gesäte“ Verteilung ausmachen. Im Norderland hingegen sei dieser Architekturtyp „außerordentlich zahlreich“ vertreten. Es folgt – nach den vier Regionen gegliedert – eine Einzelbesprechung aller aus seiner Sicht relevanten Häuser. Im Rheiderland befasst sich Maas vor allem mit dem Steinhaus in Bunderhee, das aufgrund seiner mehrgeschossigen Bauweise aber nicht als „der Typ des Steinhauses in Ostfriesland schlechthin“ zu bezeichnen sei, sondern lediglich als der bestimmende Typus des Steinhauses im Rheiderland.
Diesem Befund gegenüber stellte Maas seine Untersuchung im Jeverland, die sich sehr ausführlich mit dem Steinhaus in Sanderbusch auseinandersetzt, aber auch Bauwerke in Altengroden und Osteraltendeich berücksichtigt.
Die eigentliche Bedeutung – bis heute – erlangt die Dissertation aufgrund ihres zweiten Teils, der die eigentliche Hauptarbeit des Architekten Maas gewesen sein dürfte. Auf insgesamt 17 Blatt liefert Karl Maas sehr detaillierte Bauaufnahmen der im ersten Teil beschriebenen Steinhäuser.
Der zusammenfassende Teil in Maas‘ Dissertation fällt relativ knapp aus. Seine Untersuchung in Ostfriesland hätte gezeigt, dass das Steinhaus ursprünglich stets freigestanden habe und später durch eine Gulfscheune ergänzt worden sei. Die beiden Teile hätten aber an keinem Ort eine „organische Verbindung“ aufgewiesen. Im Jeverland hingegen habe er festgestellt, dass keines der untersuchten Steinhäuser ursprünglich eigenständig gewesen sei. Dies begründet Maas mit einer unterschiedlichen Funktionalität der Steinhäuser. In Ostfriesland hätten diese als „Häuptlingssitz“ gedient und damit ausschließlich der Demonstration von Macht. Im Jeverland seien Steinhäuser als bäuerliche Adelssitze anzusprechen, die neben der repräsentativen auch eine funktionale Komponente – Maas meint die landwirtschaftliche Nutzung – aufwiesen.
Nach seiner 1943 in Braunschweig erfolgten Promotion wurde Maas 1944 zunächst Bauleiter bei der Organisation Todt und 1945 schließlich zum Kriegsdienst einberufen. Das Kriegsende erlebte Maas wohl in Wilhelmshaven und war dann bis 1954 an unterschiedlichen Orten als freier Architekt tätig, um anschließend eine Anstellung bei der Landesbauverwaltung Schleswig-Holstein zu finden. Als Leitender Regierungsbaudirektor trat Karl Maas 1976 in den Ruhestand.
Maas war weiterhin begeisterter Hobbyfotograf, was die fotografische Qualität der seiner Dissertation beigefügten Abbildungen erklärt. Nach seiner Kieler Berufstätigkeit war Maas zunächst Leiter der „Arbeitsgemeinschaft Kieler Fotofreunde“, zwischen 1976 und 1978 Vizepräsident des „Verbands Deutscher Amateurfotografen-Vereine“ und ab 1978 für zwei Jahre gar deren Präsident.
Karl Maas verstarb am 26. Dezember 1993 in seiner Wahlheimat Kiel. Seine Dissertation ist heute auch in Ostfriesland nahezu in Vergessenheit geraten.
Heiko Suhr