Vor 100 Jahren: Abraham Fast predigt im Januar 1925 gegen die Krise der Mennoniten in Ostfriesland
– Das Mennonitentum, sein Erbe, seine Aufgabe, sein Geist. Zwei Vorträge und eine Predigt anläßlich des 400jährigen Reformationsjubiläums der Taufgesinnten oder Mennoniten im Januar 1925, [Emden] 1925 –
Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche, deren Wurzeln in der Täuferbewegung liegen und deren Name sich vom friesischen Theologen Menno Simons (1496-1561) ableitet. Auch wenn die Mennoniten durchaus eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Ausprägungen – von liberal bis traditionalistisch – waren bzw. sind, gibt es zentrale Gemeinsamkeiten: die Bekenntnistaufe, die Gewaltfreiheit und die Gemeindeautonomie.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges setzte ein allmählicher Bedeutungsverlust der Mennoniten auch in Ostfriesland ein. Die Zahl der Gemeindemitglieder sank spürbar. In dieser Phase hielt der Emder Pastor Abraham Fast zwei Vorträge, die 1925 in Druckform erschienen sind.
Im ersten Vortrag widmet sich Fast „unser[em] Erbe aus der Reformationszeit“ und beleuchtet dabei vor allem die Entstehung des Täufertums. Die Predigt hielt er am 18. Januar 1925, also vierhundert Jahre nach der ersten Feier des Abendmahls in deutscher Sprache. In diesem Akt sieht Fast die Wurzeln auch der Mennoniten. Im Folgenden zeichnet Fast die historische Entwicklung bis zu seiner Gegenwart nach und resümiert, der Weg zu „Toleranz, Demokratie, […] Pazifismus und Völkerbund“ sei steinig gewesen.
Der zweite Vortrag stellt schließlich den Bezug zur aktuellen Lage des Jahres 1925 her und umreißt unter dem Titel „Unsere Aufgabe in der Gegenwart“ den Bedeutungsverlust der Freikirchen. Die Lösung liege darin, sich daran zu erinnern, dass nicht der Staat für den Religionsunterricht verantwortlich sei, sondern die Kirchen selbst. Dazu müsse man sich Wissenschaften öffnen und sich schließlich auch dem modernen Wirtschaftsleben positiv gegenüberstellen. Es gelte aber auch, sich Klassenhass entgegenzustellen und für Pazifismus einzutreten. In Ergänzung zur ersten Predigt konkretisiert Fast hier nun nochmal seine Strategie zum Wiedererstarken der mennonitischen Gemeinden vor allem durch verstärkten Religionsunterricht für Kinder und ein deutliches Bekenntnis zur neuen demokratischen Weltordnung.
Die Inhalte dieses Büchleins ergeben sich direkt aus der Biografie des Verfassers. Abraham Fast wurde am 2. Januar 1886 in der Gemeinde Blumstein in der heutigen Ukraine geboren. Blumstein war Teil der Kolonie Molotschna, wohin deutschsprachige Mennoniten seit Ende des 18. Jahrhunderts ausgewandert waren. 1905 zog Abraham Fast zum Besuch einer Predigerschule in die Schweiz um. Nach dem Erwerb seiner Hochschulreife studierte er in Basel. 1912 legte Abraham Fast in Heidelberg sein Licentiaten-Examen mit einer Arbeit über die Willensfreiheit bei den Täufern ab. Mit seiner Ehefrau Luise kehrte er schließlich in die Kolonie Molotschna zurück, wo er an einer höheren Töchterschule unterrichtete. Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte er dann in Worms, wo er zivilinterniert und später als Betreuer russischer Kriegsgefangener eingesetzt wurde. Nach Kriegsende bot sich Fast schließlich die Möglichkeit, eine mennonitische Predigerstelle in Emden zu übernehmen. Die Emder Gemeinde war aber im 20. Jahrhundert sehr klein, sodass Fast die in seinen Predigten angesprochenen Punkte auch praktisch umzusetzen begann. In den mennonitischen Kirchenräumen bot er Unterricht für Schüler sowie ein attraktives Bildungsprogramm. In diesem Milieu trafen sich nicht nur freireligiöse Emder, sondern insgesamt wichtige Teile des Emder Bürgertums. Entscheidend war aber, dass Fast auch politische Bildungsarbeit auf seine Agenda setzte und so wiederum viele Mennoniten in politische Ämter der Stadt brachte; zeitweilig rekrutierte sich der Vorstand der Emder SPD nahezu ausschließlich aus mennonitischen Gemeindemitgliedern.
Fasts Wirken in Emden hatte eine derartige Strahlkraft, dass er zunehmend auch in Nachbargemeinden aktiv wurde. Daraus entstand schließlich die „Konferenz der nordwestdeutschen Mennonitengemeinden“, zu der die Gemeinden in Emden, Leer, Norden und Gronau/Westfalen gehören. 1957 trat Abraham Fast in den Ruhestand und verstarb schließlich am 15. September 1962 in Emden.
Neben seinem praktischen Wirken veröffentlichte Fast auch eine ganze Reihe an kleineren Schriften und Aufsätzen, die vor allem in den Mennonitischen Blättern – der ältesten Zeitschrift der deutschen Mennoniten – erschienen. Ferner gab er mehrere mennonitische Zeitschriften selbst heraus und publizierte schließlich kurz vor seinem Tod auch autobiografische Aufzeichnungen.
Der umfangreiche Nachlass von Abraham Fast wird mittlerweile in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden verwahrt. Trotzdem ist Abraham Fast heute in Ostfriesland nahezu in Vergessenheit geraten.
Heiko Suhr