Von guten und schlechten Jägern. Ein vergnüglich geschriebenes Büchlein von 1869 schlägt auch kritische Töne an
– Ein ostfriesisches Jagdbuch, dem Jagdvergnügen und „guten Jägern“ mit besonderer Vorliebe gewidmet von einem unbekannten Verfasser, Norden 1869 –
Die Jagd gehört historisch gesehen nicht nur zu den beliebten Aktivitäten in Ostfriesland, sondern auch zu einem vielschichtigen Sujet des ostfriesischen Schrifttums. In diese Reihe gehört auch ein kleines Büchlein mit nur 51 Seiten, das 1869 im Verlag von Diedrich Soltau in Norden erschienen und dort auch gedruckt worden ist.
Angaben zum Urheber ließen sich nicht ermitteln. Schon auf der Titelseite ist „von einem unbekannten Verfasser“ die Rede, der sein Werk unter das Motto „Im Wald und auf der Haide / Da such’ ich meine Freude“ gestellt hat. Ursprünglich handelt es sich dabei um den Anfang der ersten Strophe eines deutschen Volks- und Jagdliedes, das 1816 von Wilhelm Bornemann geschrieben wurde.
Das Buch beginnt mit einer humoristischen Einteilung der Menschen in drei Klassen: die guten Jäger, die schlechten Jäger und die Nicht-Jäger. Letztgenannte Gruppe unterscheide sich wiederum in „Feinde“ und „Freunde“ von Jägern. Zu den Freunden gehörten hauptsächlich die Menschen, „welche Wild gerne mit dem silbernen Löffel“ jagen, also den kulinarischen Genuss von Wildfleisch bevorzugen ohne selbst zu jagen. Zu den Feinden gehörten wiederum „recht viele“ Personen, die ihre Abneigung offen auslebten, wobei aber zunehmend mehr Menschen „bekehrt“ würden. Unbelehrbare Gegner der Jagd fänden sich vor allem in den Amtsstuben der Verwaltung. Schlechte Jäger – so der Autor weiter – fänden sich vor allem unter denjenigen, die die Regeln der Jägerei missachten, also in erster Linie Wilddiebe. Aus dieser negativen Sichtweise ergibt sich dann auch die Charakterisierung guter Jäger, die nach den „Hauptregeln und Gesetzen“ der Jagd agieren. Gute Jäger können demnach sowohl gute als auch schlechte Schützen sein, wenn auch die Zielgenauen dem „heiligen Hubertus die liebsten Jünger“ seien.
Das vom Verfasser sogenannte „Wasservogelgesetz für Ostfriesland“ von 1838 zähle ausdrücklich nicht zu diesen wichtigen Hauptregeln, so der Verfasser. Die Verordnung widerspreche sogar allen guten Absichten. Der anonyme Verfasser argumentiert hier also gegen die freie Jagd, die zu den Grundrechten der friesischen Freiheit zu rechnen ist. Der Verfasser nimmt an dieser „Jagd-Ordnung für die Provinz Ostfriesland“ besonderen Anstoß, gerade weil darin die freie Jagd auf wilde Enten, Gänse und Schwäne und sonstige wilde Wasservögel durch jeden Ostfriesen ausdrücklich anerkannt wurde, wenn auch beschränkt auf Küstengebiete und Flussufer. Versteckt im Kapitel über den Hasen führt der anonyme Autor weiter aus, dass dieses Gesetz „böse Wirkungen“ habe, da es zur „Jagdleidenschaft niederen Grades“ ebenso verführe wie zum Wilddiebstahl. In ihrer Gesamtheit leite die Verordnung gar „zur schlechten Jägerei“ an.
Über seine Kritik an der hannoverschen Legislative hinaus argumentiert der Verfasser, die Jagdpachten seien in Ostfriesland derart hoch, dass sie sich nur bei viel erlegtem Wild rentierten. Ursächlich dafür sei ein Ansteigen des Fleischkonsums, was auch Wildprodukte verteure, was wiederum das Pachtniveau steigen lasse. Ein möglicher – sehr idealistischer – Ausweg sei, dass die „gesellige Jagd“ die vorherrschende egoistische Jagd verdränge.
Diese Kritikpunkte nutzt der Autor dafür, eine Lösungsstrategie aufzuzeigen, die von der Praxis und nicht von verstaubten Amtsstuben in Hannover bestimmt werde. Ostfriesland habe den Vorteil guter Jagdreviere, denn nirgendwo sonst in Deutschland könne Wild besser „erhalten oder vermehrt“ werden als hier. Ein guter Jäger habe dementsprechend natürlich kein „Minderer“ seines eigenen Bestandes zu sein, sondern für die „Erhaltung seiner Jagd Sorge [zu] tragen“. Das könne nur über fest definierte Schonzeiten erreicht werden, die in dem Büchlein als „Jagdruhe“ bezeichnet werden. Zudem gelte es, Wilddiebe mit aller Strenge zu entfernen.
Das „Ostfriesische Jagdbuch“ ist eine recht seltsame Mischung aus humoristischer Beschreibung des idealtypischen Jägers, einer ernsthaften Beschreibung ostfriesischer Wildtiere – Hasen und Rebhühner – sowie einer mal verdeckten, mal sehr deutlichen Kritik an den hannoverschen Jagdgesetzen. In die Beschreibung der Wildtiere hinein mischt sich dann die Kritik des Verfassers an den Jagdgesetzen für Ostfriesland. Das Buch mag zwar „dem Vergnügen“ gewidmet und auch überwiegend in einem launischen Ton verfasst worden sein, es verfolgt aber ernste Anliegen und ist damit im Sinne des Naturschutzes fast modern. Der Verfasser versteht nämlich sein Buch nicht nur als „Anleitung“ für gute Jäger, sondern er spricht sich auch ausdrücklich für die Festlegung von Jagdrevieren, für deren Schonung und vor allem für die Liebe zum Tier aus.
Offen bleibt die Frage, warum das Buch erst rund dreißig Jahre nach der Verkündung der „Jagdordnung für die Provinz Hannover“ erschienen ist. So lange kann es kaum gedauert haben, bis sich die Schwächen der Verordnung gezeigt haben.
Heiko Suhr