Vom richtigen Umgang mit den Pferden
– „Des Freyherrn von Sind Churcöllnischen Obersten eines Cavallerieregiments und Ersten Stallmeisters vollständiger Unterricht in den Wissenschaften eines Stallmeisters“ (1770) –
Pferde sind auch aus der Kultur- und Alltagsgeschichte Ostfrieslands nicht wegzudenken. Gleichwohl haben sich Aufzucht, Haltung und Nutzung dieser Tiere sowie – im Bedarfsfalle – die medizinische Versorgung der schönen Vierbeiner in den letzten Jahrhunderten deutlich verändert. Die zunehmenden Erkenntnisse in der Tiermedizin seit dem 18. Jahrhundert schlugen sich u.a. in zahlreichen Publikationen zur Verbesserung der Pferdezucht und Pferdehaltung nieder.
Für Ostfriesland ist die Geschichte des Veterinärwesens auch für Pferde wissenschaftlich erforscht und dargestellt. Als wichtiger Kulturträger Ostfrieslands kann die Landschaftsbibliothek in Aurich ein besonderes Puzzlestück zu dieser Geschichte beitragen.
So findet sich im Magazin der Landschaftsbibliothek in der Abteilung „Rara“ für seltene und alte Drucke ein besonderes Buch, das hier im Rahmen der Reihe „Buch des Monats der Landschaftsbibliothek“ vorgestellt werden soll:
„Des Freyherrn von Sind […] vollständiger Unterricht in den Wissenschaften eines Stallmeisters“ ist zwar heute weithin vergessen, gehört aber dennoch zu den grundlegenden Werken in Bezug auf einen artgerechten Umgang mit dem Pferd.
Der Verfasser Johann Baptist von Sind (1709-1776) stand als Kavallerieoffizier, Erster Stallmeister und ab 1734 Truchsess in Diensten Maximilian Friedrichs von Königsegg-Rothenfels (1708-1784), Erzbischofs von Köln und damit Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Ihm als seinem Herrn widmete von Sind – ganz im Stil seiner Zeit – das hier vorgestellte Buch. Sein Amt als Stallmeister, also als Hauptverantwortlicher für sämtliche Belange rund um eine größere Anzahl Pferde, nahm der Freiherr sehr ernst und machte sich neben seinen dienstlichen Aufgaben als Offizier durch mehrere Veröffentlichungen rund um das Pferd einen Namen als anerkannter Hippologe.
Das Werk des Freiherrn von Sind gliedert sich in vier Teile. Während er sich in den ersten beiden Teilen des Buches mit den allgemeinen und umfassenden Aufgaben eines Stallmeisters – wie z.B. die Unterbringung und Aufzucht sowie dem Verständnis der Anatomie des Pferdes – befasst, gehen der dritte und vierte Teil auf medizinische Aspekte ein. Hier werden diverse Pferdekrankheiten und die praktische Pferdeheilkunst vorgestellt.
Der mit zahlreichen Vignetten und Kupferstichen ausgestattete Auricher Folioband von 1770 stammt aus dem bekannten Verlag J. C. Dieterichs in Göttingen und Gotha. Am 21. Mai 1947 erwarb ein Herr „Dr. F.“ auf der zweiten Nachkriegs-Versteigerung des Berliner Auktionators H. A. Rittershofer für stattliche 621 Reichsmark das Buch. Über Wittmund ist es als Leihgabe in die Landschaftsbibliothek gekommen. Die weitere Geschichte des Buches ist unbekannt. Interessant wäre aber gewiss zu erfahren, wer den schönen doppelseitigen Kupferstich zu Beginn des Buches säuberlich entfernte, der bei Vergleichsexemplaren noch vorhanden ist.
Ein besonderes Detail des Werkes ist eine am Ende eingefügte doppelte Beschwerde, über die nicht nur der damalige Leser, sondern auch der heutige schmunzeln kann. Einerseits beschwert sich der Verleger über reichlich Druckfehler im Text, die aufgrund seiner Abwesenheit vom Druckort entstanden seien, und andererseits moniert der Verfasser die eigenmächtige Orthographie, die der Korrektor dem Text angetan hat.
Das Buch Johann Baptists von Sind steht ganz in der Tradition namhafter und bekannter Reit- und Stallmeister wie G. B. Galiberto, F. R. de la Guérinière oder J. C. v. Regenthal. Es dürfte damit als Basislektüre auch heute noch für pferdebegeisterte Leserinnen und Leser sehr gewinnbringend sein.
Dietrich Nithack