„Borkum hält Wacht!“
– Carl Lange und die Kriegszeitung der Festung Borkum 1915 bis 1918 –
Am 7. August 1915 wurde die erste Nummer der „Kriegszeitung der Festung Borkum“ herausgegeben. Initiator war Oberst Georg Maercker, der bis zum 12. Oktober 1915 Kommandant der Festung Borkum war. Kriegszeitungen waren ein breites Phänomen der Publizistik und vor allem der Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs. Die Deutsche Bücherei hatte 1940 mehr als 600 Kriegszeitungen der Jahre 1914 bis 1918 in ihrem Bestand – darunter auch mehr als 115 Feld- und Armeezeitungen. Die Schriftleitung der Borkumer Kriegszeitung lag zunächst bei der Kommandantur Borkum. Man feierte darin Krieg und Kaiserreich und heroisierte die „Festung Borkum“ als eine das Deutsche Reich heldenhaft verteidigende Insel-Küstenwacht in der „äußersten Nordwestecke des Deutschen Reiches“, obwohl die erwarteten Angriffe englischer Truppen ausgeblieben waren.
Die „Kriegszeitung der Festung Borkum“ erschien wöchentlich am Samstag. Verlag und Vertrieb übernahm Unteroffizier Otto Brauer, früherer Herausgeber der Borkumer Zeitung. Die Auflagenhöhe ist unbekannt, aber die Borkumer Kriegszeitung konnte sich in den 30 Monaten kontinuierlichen Erscheinens offensichtlich eines dauerhaften Zuspruchs erfreuen. Das Wochenblatt präsentierte sich optisch als eine bilderarme, aber stark mit Rahmen, Bordüren, Signets, Drucken und auch Scherenschnitten geschmückte Zeitung. Ein erstes Foto vom soldatischen Inselleben wurde Mitte 1916 abgedruckt.
Inhaltliche Schwerpunkte waren zunächst Kriegsberichterstattung und Schlachtenberichte, Kriegslyrik und Feldpostbriefe, Personal- und vermischte Nachrichten. Für die Mannschaften gab es auch Unterhaltungsrubriken wie die „Scherzecke“ oder den „Briefkasten“. Bade- und Hochwasserzeiten wurden ebenfalls abgedruckt. Die Zeitung hatte zunächst aber auch einen starken heimatlich-ostfriesischen Einschlag: Berichte über die ostfriesische Mobilmachung 1914 wurden veröffentlicht, und der Borkumer Kriegsfreiwillige Klaas Meyer veröffentlichte Feldpostbriefe. Beiträge von teilweise versierten Autoren informierten über Geschichte und Natur Borkums und der anderen Inseln, über die Stadt Emden oder ostfriesische Vornamen. Vielleicht begann hier auch mit Nachrichten über Soldaten-Fußballwettkämpfe, Meisterschaften und Tabellen überhaupt erst die ostfriesische Fußballberichterstattung.
Als Hauptmann Carl Lange (1885-1959) – ein kaisertreuer, national-konservativer Offizier und Dichter – mit der Pfingstnummer 45 des Jahres 1916 zum verantwortlichen Redakteur ernannt wurde, veränderte sich der Charakter der Borkumer Kriegszeitung. Der Bankierssohn hatte 1912 in Danzig seinen ersten Gedichtband veröffentlicht. Nach einer Erkrankung wurde er im Herbst 1915 von der Ostfront nach Borkum versetzt. Durch seine eigenen Gedichte, aber auch als Redakteur hob Carl Lange das Niveau der Borkumer Kriegszeitung merklich an. Die Beiträge von und über Borkum und Ostfriesland nahmen ebenso ab wie die Berichterstattung über Kriegsereignisse. Die Unterhaltungsrubriken und Angaben zu Badezeiten und Gezeiten fielen weg. Dafür gelang es ihm, seinerzeit relativ bekannte, heute meist vergessene Dichter für Beiträge zu gewinnen. Die „Kriegszeitung der Festung Borkum“ wurde immer nationalistischer und zugleich literarischer. Durch die Einführung von „Themenheften“ mit inhaltlichen Schwerpunktsetzungen gelang es, der Zeitung einen besonderen Charakter zu verleihen. Die Ausgaben konnten mit „Unser Kronprinz“, „Unsere schwere Artillerie“ oder „Skagerrak-Ausgabe“ betitelt sein. Erfolgreich waren auch „Frauenausgaben“ oder Dichterausgaben z.B. zu Gorch Fock oder die „Ernst Moritz Arndt-Ausgabe“.
Offensichtlich vermissten die Borkumer und die dort stationierten Soldaten aber den früheren Informations- und Unterhaltungswert ihrer Kriegszeitung. Jedenfalls wurde mit der 100. Nummer wieder ein zweiseitiges „Beiblatt“ mit dem Titel „Von unseren Kameraden für unsere Kameraden“ eingeführt, das eine Kriegswochenschau, sportliche Nachrichten von der Insel, Rätsel und Lustiges enthielt. Die erste „sportliche Mitteilung“ war eine „Siegerliste im Handgranaten-Wettkampf“ in den Disziplinen „Schnellschuß“, „Weitwurf“, „Zielwurf“, „Zweikampf“ und „Hochwurf“.
Die Kriegszeitung erschien in 172 Ausgaben bis Februar 1918. Die Auricher Landschaftsbibliothek verfügt in ihrem Bestand über die ersten 104 Nummern. Carl Lange wurde in den letzten Kriegsmonaten als Bataillonskommandeur von Borkum an die Westfront versetzt. Zuvor hatte er bereits 1917 in Berlin eine „Auswahl“ von Texten aus den zwei Jahrgängen 1916 und 1917 in Buchform als „Kriegszeitung der Festung Borkum“ veröffentlicht.
Paul Weßels