• Manno Peters Tammena: Ostfriesische Vornamen : von Aafke bis Zwaantje - Titel auf dem Schutzumschlag

Buch des Monats Mai 2025

Tammena: Ostfriesische Vornamen

„Personennamen sind Ostfrieslands ältestes Kulturgut“

– Manno Peters Tammena, Ostfriesische Vornamen: Von Aafke bis Zwaantje, Norden 2005 –


Die zum 1. Mai 2025 in Kraft getretene Novelle des deutschen Namensrechts und damit die neu geschaffene Möglichkeit, Kinder nach friesischer Tradition – als Ableitung des Nachnamens aus dem Vornamen des Vaters oder der Mutter – zu benennen, bietet einen willkommenen Anlass, sich mit ostfriesischen Vornamen zu beschäftigen. Diese seien, so Ostfrieslands bekanntester Namenforscher Manno Peters Tammena, „Ostfrieslands ältestes Kulturgut“. Sein Buch „Ostfriesische Vornamen: Von Aafke bis Zwaantje“ umfasst eine Sammlung von über vierzigtausend Namen und steht in einer am Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden Tradition von ostfriesischen Autorinnen und Autoren, die Vornamen ihrer Region systematisch erfassten.

Manno Peters Tammena wurde am 10. Februar 1934 in Hamburg geboren, hatte aber urostfriesische Wurzeln sowohl in der Krummhörn als auch in Aurich. Er wuchs in Oldenburg und Leer auf, wo sein Vater nach dem Kriegsende als Anwalt tätig war. Nach verschiedenen beruflichen Stationen und einem Pädagogikstudium war er seit 1967 als Lehrer tätig, zunächst in Jemgum und später in Weener, bis er 1986 aus gesundheitlichen Gründen den Schuldienst verließ.

Schon seit seiner Jugendzeit sammelte Tammena ostfriesische Vornamen. Nach seiner Pensionierung widmete er sich dieser Tätigkeit intensiver, studierte auch entlegene Quellen und besuchte häufig ostfriesische Friedhöfe. Im Jahr 2000 veröffentlichte er im Eigenverlag ein kleines Büchlein mit ausgewählten ostfriesischen Vornamen für werdende Eltern. Ab 2004 folgte eine Artikelserie im Ostfriesland-Magazin, die schließlich zu seinem Standardwerk zu ostfriesischen Vornamen führte.

Tammenas Buch gliedert sich in zwei Hauptteile: Im ersten Teil werden zahlreiche Besonderheiten der ostfriesischen Namengebung erläutert, darunter Phänomene wie „Frauen mit männlichen Rufnamen“ oder die Erhaltung von Spitznamen. Der zweite Teil enthält ein umfangreiches ostfriesisches Namensverzeichnis, kategorisiert nach Geschlecht.

Als Beispiel sei hier der männliche Vorname „Cirk“ genannt, der zwar über das Häuptlingsgeschlecht Cirksena noch bekannt ist, dessen Wurzeln aber kaum jemand kennt. Eine Möglichkeit wäre eine ostfriesische Anpassung an den Heiligen Cyriakus. Ebenso möglich ist die Herkunft vom altfriesischen Sirik, abgeleitet aus den friesischen Begriffen „si“ (für Sieg) und „rike“ (für mächtig und reich). Der weibliche Vorname „Aafke“ ist eine Verkleinerungsform von Auwe/Awe, ein sich aus dem altsächsischen „aval“ herleitender Name, der für Kraft steht.

Porträt Manno Peters Tammena (Foto: Klaus Ortgies, Zeitungsgruppe Ostfriesland)
Manno Peters Tammena (Foto: Klaus Ortgies, ZGO)

Tammenas Schreibstil ist erfrischend humorvoll und persönlich, ohne dabei an wissenschaftlicher Gründlichkeit zu verlieren. Er verwebt kleine Geschichten über die Herkunft einzelner Namen und teilt auch persönliche Anekdoten. Dazu tragen auch das Vorwort von Eske Nannen – die über die Missverständnisse rund um ihren ungewöhnlichen Vornamen berichtet – und die „Nachbetrachtungen“ von Holger Bloem bei, der die internationale Resonanz auf Tammenas Namenssammlung beschreibt.

Tammenas Buch reiht sich ein in eine ganze Reihe von ostfriesischen Vorarbeiten, genannt seien u.a. die Werke des Auricher Bürgermeisters Johann Diedrich Müller (1874), des Emder Kaufmanns Bernhard Brons (1877), der Ostfriesischen Landschaft (1956), der Westermoordorfer Lehrerin Irma Raveling (1963) und des Leeraner Verlegers Theo Schuster (1987). Erwähnt sei auch eine kleine Sammlung der Heimatschriftstellerin Martha Köppen-Bode. Sie alle tragen gemeinsam dazu bei, ein wichtiges Stück ostfriesischer Identität zu bewahren.

Als Namenforscher widmete sich Tammena intensiv den sprachlichen Wurzeln ostfriesischer Namen. Er erforschte deren Ursprünge im Altfriesischen und Altsächsischen, erkannte aber auch Einflüsse aus dem Niederländischen und Englischen. Bemerkenswert war seine Analyse der historischen Entwicklung des patronymischen Namenssystems. Tammena dokumentierte die vielfältigen Schreibweisen der Namen und ergründete deren Entstehungsursachen – etwa, wenn ortsfremde Pastoren aus Unkenntnis des Plattdeutschen Namen falsch notierten.

Ein besonderer Fokus seiner Forschung lag auf der Tradition des „Benömens“, bei der durch die Wiederholung von Vornamen in Familien das Andenken an die Vorfahren gewahrt wurde. Er untersuchte zudem geschlechtsspezifische Aspekte der Namengebung und die Störungen im traditionellen Namenssystem durch historische Umbrüche, besonders die Einführung der Standesämter 1874.

Sein wissenschaftliches Hauptwerk „Namengebung in Ostfriesland“ erschien 2009 und gilt heute als Referenz. Tammenas Beitrag zur Wahrung der ostfriesischen Identität geht über die wissenschaftliche Dokumentation hinaus. Seine Kolumne im Ostfriesland-Magazin erreichte eine breite Öffentlichkeit und weckte neues Interesse an der Namenstradition. Seine Namenslisten werden durch die Novellierung des Namensrechts Standesämtern und Gerichten als wichtige Referenz dienen.

Manno Peters Tammena verstarb am 18. Januar 2023 im Alter von 88 Jahren. Sein umfangreicher Nachlass – vor allem seine 31-bändige Sammlung von Karteikarten – steht für Forschungen im Auricher Landesarchiv zur Verfügung. Die Ostfriesische Landschaft erinnert an ihn mit seinem – in Comicform gebrachten – Konterfei auf der Broschüre zum novellierten Namensrecht. Bereits 2008 hatte sie Tammena mit dem Upstalsboom-Siegel ausgezeichnet.

Für Ostfriesland-Liebhaber, angehende Eltern auf Namenssuche oder sprachlich Interessierte ist sein Vornamenbuch nach wie vor ein wahres Juwel und als Ergänzung zu konventionellen Namensverzeichnissen zu betrachten.

Heiko Suhr

Weitere Beiträge zum Buch des Monats