Vera Katarzyna Heckelmann hat als Schülerin des Ulrichsgymnasiums Norden an der elften Ausschreibung zum Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte 2020 teilgenommen. Die Jury hat ihre Arbeit „Antisemitismus: eine jüdische Familie von Norderney“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
Vera Heckelmann stellt sich der Aufgabe, das Schicksal einer jüdischen Familie in den ersten 40 Jahren des 20. Jahrhunderts in einem biographischen Ansatz zu beschreiben und nimmt eine Zeitungsanzeige des jüdischen Bernsteindrechslers und Souvenirverkäufers auf Norderney Moritz Klompus zum Ausgangspunkt ihrer Beschäftigung. Die Familie hatte litauische und ostdeutsche Wurzeln, aber seit 1893 gab es zwei wirtschaftliche Standorte in Hannover und vor allem auf Norderney. Hier wurden sechs der sieben Kinder geboren, nur ein Sohn hat die Shoa überlebt. Vera Heckelmann skizziert die jüdische Kultur auf der bis zum Beginn der NS-Zeit liberal geprägten Insel Norderney, spürt aber auch einem bereits früh erkennbaren latenten Rassismus nach. Die Familie Klompus ist um die Wende zum 20. Jahrhundert nach Norderney gezogen und hat dort ein Souvenirgeschäft aufgebaut, das den Ersten Weltkrieg auf der Insel noch vergleichsweise gut überstanden hat. Nach der Inflationszeit der 1920er Jahre gründete Moritz Klompus außerdem eine Spielwarenhandlung in Hannover. Vera Heckelmann zeigt, wie das Familiengeschäft in der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre unter Druck geriet, während gleichzeitig der Antisemitismus auf Norderney zunahm und ab 1933 jüdische Geschäftsleute und Unternehmer bedrängt wurden, die Insel zu verlassen. Das Geschäft der Familie Klompus war das letzte, das zum Zeitpunkt der Reichspogromnacht noch existierte. Anschließend wurde die Familie nach Hannover vertrieben, wo sie bis zum Abtransport in die Konzentrationslager Ende 1941 in einem „Judenhaus“ lebte.
Die Facharbeit von Vera Heckelmann überzeugt durch ihre Eigenständigkeit. Ihre sachliche aber auch darüber hinaus gehende persönliche, emotionale Anteilnahme an dem Schicksal der Familie Klompus wird eingangs sehr gut begründet. Die Arbeit zeichnet sich durch eine konzentrierte, sinnvoll aufgebaute Darstellung aus. Das weite Thema der Judenverfolgung wird auf einen für diese Arbeit passenden Rahmen eingegrenzt. Vera Heckelmann hat für ihre Facharbeit eine gute Recherche betrieben und neben der relevanten Fachliteratur sehr unterschiedliche Quellen aus den Archiven und aus dem Internet herangezogen und diese auf eine angemessene Weise für ihr Thema genutzt. Die dargestellte Familiengeschichte ist auf bedeutsame Ausschnitte eingegrenzt, in denen die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem aber auch das persönliche Schicksal im Vordergrund stehen. Die Erkenntnisse werden in der Facharbeit im Sinne einer exemplarischen Untersuchung gut dokumentiert, und sie hat ein engagiertes Fazit verfasst. Über einige formale und sprachliche Ungenauigkeiten lässt sich hinwegsehen.
Die Jury hat sich dafür ausgesprochen, die Arbeit von Vera Heckelmann mit dem Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte 2020 auszuzeichnen.
Wir gratulieren Vera Heckelmann zu dieser besonderen Leistung.