Viktoria Kruse hat als Schülerin des Gymnasium Ulricianum Aurich an der vierzehnten Ausschreibung zum Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte 2023 teilgenommen. Die Jury hat ihre Arbeit „Euthanasie im Nationalsozialismus unter Berücksichtigung regionalgeschichtlicher Aspekte am Beispiel Anni Poppen (Ostfriesland/Moorhusen)“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
In ihrer Seminararbeit befasst sich Viktoria Kruse mit der Euthanasie in Ostfriesland. Sie hat eine formal sehr gute, propädeutisch-wissenschaftliche Standards erfüllende, neue Erkenntnisse liefernde und zugleich sehr engagierte Arbeit verfasst.
Konkreter Gegenstand ihrer Untersuchung ist Anni Poppen, die 1923 in Emden geboren wurde, aber als Vollwaise ab 1933 in Moorhusen aufwuchs. Anni Poppen verstarb an ihrem 18. Geburtstag, dem 22. April 1941, in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück. Erst sehr viel später wurde offenbar, dass Anni Poppen Opfer der nationalsozialistischen Euthanasiemaßnahmen geworden war.
An die gute Einleitung mit klarer und plausibel hergeleiteter Fragestellung schließt sich eine ausführliche Beschreibung der nationalsozialistischen Krankenmorde an, die auch die ideologischen Wurzeln im 19. Jahrhundert berücksichtigt. Gestützt auf fachwissenschaftliche Literatur, die gewissenhaft ausgewählt wurde, gelingt Viktoria Kruse eine eigenständige Einordnung des Forschungsgegenstands.
Die sehr persönliche aber gleichzeitig prägnante Beschreibung des Lebens von Anni Poppen berücksichtigt Quellenmaterial aus dem Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Aurich – ebenso wie Informationen, die Frau Kruse aus eigenständig geführten Interviews mit einer Expertin sowie einer Verwandten Anni Poppens gewonnen hat.
Der die Arbeit sehr gut zusammenfassende Schlussteil beinhaltet nicht nur eine stringente Beantwortung der Fragestellung. Darüber hinaus geht die Verfasserin auch auf die Folgen der NS-Euthanasie für die Nachfahren der Opfer nach 1945 ein. Viktoria Kruse beweist hier – wie auch in den von ihr geführten Interviews – über die sicher beherrschte historisch-analytische Methodik hinaus Empathie und gefestigte Moralvorstellungen.
Die Facharbeit von Viktoria Kruse hat die Jury dadurch überzeugt, dass sie sich ganz überwiegend auf wissenschaftlichem Niveau bewegt, dass die Ergebnisse aus der einschlägigen Fachliteratur selbstständig genutzt werden und eine eigenständige Position in der Bewertung eingenommen wird.
Die Jury hat sich daher dafür ausgesprochen, die Arbeit von Viktoria Kruse mit dem Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte 2023 auszuzeichnen.
Wir gratulieren ihr zu dieser herausragenden Leistung.