• Ubbo Emmius: Vindiciae Juris Populi ... - Titelblatt
  • Ubbo Emmius: Plebi rusticae oportune ... - Titel und Textbeginn
  • Thomas Franzius: Noctes Pragenses - Titelblatt

„Geschriebene ostfriesische Sachen“ (1587-1660)

Eine Sammelhandschrift mit Manuskripten von Ubbo Emmius, Thomas Franzius und Ulrich von Werdum

Die Manuskripte-Sammlung der Ostfriesischen Landschaft bietet einige Überraschungen. Dazu zählt sicherlich auch eine Sammelhandschrift mit der Signatur MS 69 und mit dem Titel „Geschriebene ostfriesische Sachen“ auf dem Buchrücken. Sie enthält sechs Abschriften von lateinischen Manuskripten der Jahre ca. 1587 bis 1660, deren drei Autoren Ubbo Emmius, Thomas Franzius und Ulrich von Werdum allesamt zu den großen Namen der frühen ostfriesischen Geschichtsschreibung und Politik zählen. Noch bemerkenswerter ist, dass drei dieser fünf Schriften bisher unveröffentlicht sind. Abschriften bekannter Historiker oder Politiker kursierten in der Frühen Neuzeit in Ostfriesland unter Wissenschaftlern und Interessierten, wurden ausgeliehen, wieder kopiert. So konnten solche Manuskripte auch ungedruckt öffentliche Wirkung erzeugen.

Man sollte meinen, dass sich der hier vorgestellte Sammelband wegen der genannten Autoren schon seit Jahrhunderten im Besitz der ostfriesischen Landschaft befindet. Er wurde aber erst 1983 von der Ostfriesischen Landschaft für 9.600 DM vom Osnabrücker Antiquariat Wenner erworben. Wer die Manuskripte dieses Bandes aber ursprünglich vielleicht für den privaten Gebrauch zusammengestellt und eingebunden hat, muss offenbleiben. Er könnte aus der Bibliothek des Präsidenten der Ostfriesischen Landschaft Reichsfreiherr Bolo von Ripperda zu Petkum (1630-1680) stammen, der in der letzten Handschrift als Adressat genannt wird. Der leider schon stark in Mitleidenschaft gezogene historische Ledereinband des Folianten mit floralen Motiven passt in das späte 17. Jahrhundert. Der insgesamt etwa 900 Seiten starke Buchblock mit den sechs unterschiedlich umfangreichen Manuskripten ist nicht durchpaginiert und wurde nach dem Binden nicht beschnitten.

Ein Eintrag auf dem Vorsatzblatt des Sammelbands weist zuerst den Oberamtmann in Leer Claus Franz Heinrich Oldenhove (1765-1812) als Besitzer aus. Über dessen Sohn, Carl Johann Gottlieb Oldenhove (1792-1872), scheint der Nachlass der Familie Oldenhove 1874 an den in Driever geborenen Historiker Dr. Albert Pannenborg (1844-1921) in Göttingen gelangt zu sein, der sich mit seinem Namen als späterer Besitzer ausweist.

Ubbo Emmius: Vindiciae Juris Populi ... - Titelblatt
Emmius: Vindiciæ Juris Populi …
Ubbo Emmius: Plebi rusticae oportune ... - Titel und TExtbeginn
Emmius: Plebi rusticæ oportune …

Die Handschriften stammen von verschiedenen Schreibern, und sie sind grob in der Reihenfolge ihrer Entstehung eingebunden worden. Begonnen wird mit vier lateinischen Schriften von Ubbo Emmius. Die erste, „Vindiciæ Juris Populi …“, ist in der überlieferten Fassung wohl zuerst 1593 von Ubbo Emmius geschrieben und 1608 von Johannes Althusius in der juristischen Argumentation überarbeitet worden. Darin wird der Graf an die Verpflichtung erinnert, die Rechte und Freiheiten der Untergebenen dauerhaft anzuerkennen und neue Steuern und Abgaben nur mit der Zustimmung der Untertanen einzufordern. Passend dazu wird in der zweiten Schrift „Plebi rusticæ oportune …“ – entstanden zwischen 1587 und 1593 – der Widerstand der freien Bauern gegen unangemessen hohe und mit Gewalt eingetriebene Abgaben und Steuern des Landesherrn legitimiert. In seiner „Historia nostri temporis“ beschreibt Ubbo Emmius 1698 die Geschichte Ostfrieslands aus der Perspektive Emdens und der Stände. Die vermutlich 1614 verfasste „Vita Mensonis Altingii …“ beinhaltet die Lebensbeschreibung seines Freundes und reformierten Mitkämpfers Menso Alting (1541-1612) und ist zugleich auch ein theologisch-moralischer Kommentar zu den zeitgenössischen Auseinandersetzungen zwischen den Emdern und dem Grafenhaus.

Thomas Franzius: Noctes Pragenses - Titelblatt
Franzius: Noctes Pragenses

Die hier präsentierten Schriften von Ubbo Emmius sind zwischen etwa 1587 bis 1614 entstanden. Eine ebenfalls im Sammelband enthaltene, sonst nicht gedruckte Streitschrift seines scharfen politischen Gegners Thomas Franzius (1563-1614), wurde 1601 beim Aufenthalt zum Reichstag in Prag verfasst. In diesen „Noctes Pragenses“ greift Franzius die Emder und die Vertreter der Landstände mit aus deren Sicht schweren und beleidigenden Schmähungen an.

Das letzte Manuskript, „De Causis motae …“ beinhaltet eine Darstellung der politischen Zustände in Ostfriesland und die Eigenheiten des Adels um 1660. Der Häuptling Ulrich von Werdum hat es vermutlich 1660 für seinen Freund, Mitstudenten und Vetter Bolo Ripperda verfasst. Es handelt sich dabei aber nicht um eine politische Streitschrift, sondern um eine literarische und gebildete Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Herausgeber Albertus Pannenborg glaubte, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Abschrift, sondern sogar um eine Originalmanuskript aus der Hand Ulrichs von Werdum handelt.

Alle Manuskripte des Sammelbandes sind als solche schlecht überliefert und lassen sich als Abschriften nur in wenigen Bibliotheken und Archiven – insbesondere in Aurich und Emden – nachweisen. Die „Vita Mensonis Altingii“ und die „Historia nostri temporis“ wurden verspätet 1728 und 1732 in Groningen gedruckt. Die Schrift Ulrichs von Werdum ist zwar bis heute noch nicht im Druck erschienen, doch bietet die Universität Breslau, die ebenfalls über eine Abschrift verfügt, ein Digitalisat im Netz an. Drei Manuskripte dieses Sammelbandes – die beiden frühen Schriften von Ubbo Emmius und die „Noctes Pragenses“ von Thomas Franzius – konnten bislang nur vor Ort in Bibliotheken und Archiven studiert werden. Die Landschaftsbibliothek hat diese drei Manuskripte jetzt digitalisiert und auf ihrer Website zugänglich gemacht.

Paul Weßels

Digitalisat Emmius: Vindiciae juris populi … (13,63 MB)

Digitalisat Emmius: Plebi rusticae oportune … (9,95 MB)

Digitalisat Franzius: Noctes Pragenses (99,07 MB)

 

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